Am Samstag, den 23. November trafen sich Frauen am Nachmittag in Schwenningen um ihre Wut und ihren Widerstand gegen die Gewalt an Frauen deutlich zu machen.
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Der 25. November ist der offizielle Tag gegen Gewalt an Frauen, wir waren am Samstag davor auf der Straße, um sichtbar zu sein am hellen Tag, nicht erst im Dunkeln am Feierabend an einem Montag in einer eher wenig belebten Stadt. Denn das Thema patriarchale Gewalt, unseren Widerstand und unsere Überzeugung so lange zu kämpfen bis wir wirklich frei leben können, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, gehört nach draußen, in die Öffentlichkeit, auf die Straße. Wir werden uns weder verstecken, noch weg ducken, noch leise sein.
Vor dem Rundgang durch die Stadt versammelten wir uns am Marktplatz, wo wir gemeinsam an unsere Weggefährtinnen, Schwestern, Mütter, Töchter erinnerten, die von Männer getötet wurden, aus dem Grund, weil sie Frauen sind.
In der Rede brachten wir zum Ausdruck, dass wir es satt haben, uns Jahr für Jahr nur die steigenden Statistiken der Gewalt gegen Frauen und die symbolischen, kurzlebigen Betroffenheitsbekundungen rund um den 25. November anzuhören. Die Gewalt gegen uns Frauen beginnt nicht erst beim Femizid. Sie ist Ausdruck des gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisses, in welchem die Frau als Eigentum des Mannes betrachtet wird.
Die Gewalt gegen Frauen nimmt zu, auch hier in diesem Land. Das verdeutlichen die offiziellen Zahlen. Gleichzeitig mangelt es an Hilfsangeboten und Schutzeinrichtungen. Es fehlen tausende Plätze in Frauenhäusern, die uns überhaupt die Möglichkeit gäben, aus gewaltsamen Beziehungen auszubrechen.
In der Rede benannten wir die Angriffe gegen uns: 2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten. 360 Femizide sind es, die vollendet wurden, jeden Tag, hier in Deutschland. Männer erstechen, erschießen, erwürgen, erschlagen ihre Partnerinnen oder Ex-Partnerinnen. Die Gewalt gegen Frauen nimmt weiter zu, egal ob digitale Gewalt, häusliche und partnerschaftliche Gewalt oder Sexualstraftaten.
Die Gründe dafür sind vielfältig, gehen von einem Hass gegen Frauen, einem tief verankerten Antifeminismus aus bis hin, dass Frauen durch ihre immer prekärere finanzielle Situation noch weniger die Möglichkeit haben aus gewalttätigen Beziehungen raus zu kommen…
Zum Antifeminismus der Rechten und ihrer rassistischen Hetze stellen wir klar: überwiegend haben sowohl Opfer, wie auch Täter die deutsche Staatsangehörigkeit. Gewalt gegen Frauen kennt weder Herkunft noch Hautfarbe. Was die Täter vereint, ist ihr Geschlecht. Das zeigen auch die Zahlen politisch rechts motivierter Gewalt gegen Frauen. Das Problem ist und bleibt das Patriarchat.
Frauenleben scheinen den Herrschenden wenig wert zu sein. Auch die vergangene Regierungskoalition hatte drei Jahre Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen auf eine solide Basis zu stellen. Drei Jahre war auch Zeit, die patriarchale Bestimmung über unseren Körper, den Paragrafen 218 abzuschaffen. (Infos zu den Demos am 07. Dezember gegen den § 218 in Karlsruhe und Berlin findet ihr hier)
Von der zukünftigen Bundesregierung werden wir sicher keine Verbesserungen geschenkt bekommen.
Wir bekräftigten, dass wir hier, genauso wie Frauen weltweit, der patriarchalen Gewalt entgegentreten, auf der Straße, an jedem Ort, 365 Tage im Jahr. Denn wir können uns nicht auf den Schutz staatlicher Institutionen wie Polizei, Justiz und Gesetzgebung verlassen, sie sind selbst Teil des (patriarchalen) Problems und darauf gebaut. Statt genügend Geld für Frauenhäuser, Kitas, Pflege, bezahlbare Wohnungen gibt es zusätzliche Milliarden für Aufrüstung, Militär und Kriege. Für Kriege, in denen -sexuelle- Gewalt gegen Frauen als Kriegsmittel benutzt wird, Kriege, in denen Frauenleben nicht zählen: von Rojava, ganz Kurdistan, von Gaza bis nach Darfour im Sudan.
Patriarchales Herrschaftsdenken und Gewalt gegen Frauen, Militarisierung, Aufrüstung und Kriege gehören zusammen. Für Frauen bedeutet das Tod, Ausbeutung, Gewalt. Hier und weltweit.
Patriarchales Denken ist der ideologische Grundpfeiler und systematischer Bestandteil einer Welt von oben und unten, von Ausbeutung, Zerstörung und Krieg.
Daraus folgt, wenn wir der Gewalt gegen Frauen den Kampf ansagen, brauchen wir Orientierung. Wir brauchen eine feministische und sozialistische Perspektive anstelle eines Systems, in dem das Streben nach Maximalprofit fürs Kapital und patriarchale Herrschaft im Mittelpunkt stehen.
Nachdem wir auf dem Marktplatz zusammen noch Plakate angebracht hatten, ging es mit einer kurzen, entschlossenen Spontandemo zu unserer nächsten Station (die Demo meldeten wir an, nachdem die Polizei es sich sowieso nicht nehmen lies, unseren Protest gegen Gewalt an Frauen mit Argusaugen an Ort und Stelle zu beargwöhnen).
Auf den beiden weiteren Stationen haben wir den alltäglichen Sexismus, Vergewaltigung, Übergriffe und Abwertung thematisiert. Für die Täter sind wir Frauen persönlicher Besitz und Objekte. Unrechtsbewusstsein gibt es folglich dabei nicht.
Tapeten an einem Gebäude machen jetzt darauf aufmerksam.
„La honte doit changer de camp!“ – Die Scham muss die Seite wechseln.
Ein Beispiel von vielen, um sexualisierte Gewalt, die Frauen angetan wird, aufzuzeigen und doch
ein sehr prägnantes Beispiel, ist der „Fall Gisèle“ in Frankreich. Dominique Pelicot, der ehemalige Ehemann von Gisèle, hatte sie über 10 Jahre lang immer wieder betäubt, vergewaltigt und anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten. Seine Begründung: er war besessen davon seine starke Frau zu unterdrücken. Gisèle hat den Mut ihn und alle anderen Täter öffentlich, im Prozess anzuklagen. Als Beweismittel in diesem Prozess werden neben Aussagen, die 4.000 Videos und Bilder von Vergewaltigungen gezeigt, auf deren Verwendung sie bestanden hat. Die Täter: 92 Männer, alle wussten, dass sie dabei bewusstlos war, nur zwei Männer hatten nein gesagt. 50 Täter stehen jetzt vor Gericht. Täter aus allen gesellschaftlichen Schichten, Handwerker, Angestellte oder Manager, zwischen 23 und 60 Jahren alt. Es waren keine dunklen Männer in engen Gassen, es sind unsere Väter, Brüder, Söhne, Onkel, Chefs, Nachbarn und Arbeitskollegen, die uns vergewaltigen, schlagen und missbrauchen.
Die Proteste der Frauen in Frankreich stehen unter dem, von Gisèle formulierten Motto: „Die Scham muss die Seiten wechseln“. Nein, nicht wir Frauen müssen uns schämen, für die Gewalt, die Männer uns antun. Patriarchale Gewalt findet überall täglich statt, in all ihren Formen und Facetten.
Das Problem ist und bleibt das Patriarchat. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir da ansetzten, uns zusammentun und organisieren.
Spießrutenlauf im öffentlichen Raum
Dafür haben wir uns einen Park in der Stadt ausgesucht. Mit Absperrband, zwischen Bäumen, Laternenmasten und mit Schildern haben wir symbolisch ein Labyrinth aufgezeigt, das Alltag für uns ist, wenn wir allein als Frauen unterwegs sind.
Wir müssen darüber nachdenken, wann, wo und wie wir laufen. Sind immer aufmerksam, überlegen, welche Wege wir am besten nehmen, welche wir bewusst meiden, laufen Umwege, tragen passende Schuhe und Kleidung, um zur Not weg rennen zu können, laufen ohne Kopfhörer und ohne Kapuze, damit wir besser hören und sehen, was um uns herum passiert. Und erleben trotzdem immer wieder unangenehme Situationen: abschätzige Kommentare, anzügliche Blicke, versperrte Wege oder jemand, der viel zu nah hinter uns läuft.
Wenn abends nur wenig Menschen in der Stadt zu Fuß unterwegs sind, am ehesten noch ein paar migrantische Jugendliche überproportional auf den Straßen und Plätze anzutreffen sind, verfälscht das das Bild der eigentlichen Bedrohung. Wir machen auch hier klar deutlich, das Problem ist nicht die Herkunft.
Patriarchale Gewalt hat viele Gesichter, bewusst oder unbewusst torpedieren Männer unsere Wege. Darauf haben wir keinen Bock. Wir kämpfen solange weiter bis wir – auch – unsere Wege selbstbestimmt und frei gehen können! We fight back! Gegen Sexismus! Gegen Rassismus!
Nach der abschließenden Aktion im Mauthepark, beratschlagten wir weiter im Warmen. Keine Frage war, dass wir weitermachen werden. Wir wollen in einer friedlichen, solidarischen Welt ohne patriarchale Unterdrückung und Gewalt leben. Dafür müssen und werden wir uns als Frauen organisieren und feministisch kämpfen.