Lokal: Interview mit zwei Militanten der kommunistischen Bewegung

Zum diesjährigen 1.Mai veröffentlichen wir ein Gespräch mit zwei Militanten der kommunistischen Bewegung. In ihren Antworten gehen sie auf ihr Wirken hier vor Ort, die lokale politische Arbeit und Revolution und Klassenkampf ein.

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Interview mit zwei Militanten der kommunistischen Bewegung

Eine sehr allgemeine Frage. Ihr macht „revolutionäre“ Politik hier in Villingen-Schwenningen und der Region. Wie kommt ihr darauf, diesem weltweiten kapitalistischen Hauen und Stechen wirkungsvoll was entgegensetzen zu können?

Sarah: Wo sollen wir sonst kämpfen, oder auch Politik machen wenn nicht an dem Ort an dem wir leben und lohnarbeiten? Klar, natürlich in Villingen-Schwenningen alleine werden wir nicht den Kapita-lismus überwinden, alleine für uns werden wir nicht die Macht der Herrschenden brechen.

Micha: Revolutionäre Politik bedeutet zu vorderst Organisierung, hier vor Ort und auch bundesweit. Das wird auch sichtbar an, ich sage mal, unserer Geschichte. Hier vor Ort haben wir uns vor 15 Jahren als „Linke-Aktion VS“ zusammengeschlossen – um bundesweite Organisierung mit voran zu bringen. Mit der 1.Mai Zeitung haltet ihr ein Teil davon in den Händen.

In der Zeitung zum 1.Mai, da wird viel gesagt. Aber auf den Mund schauen ist das eine, aber was macht ihr konkretes hier vor Ort?

Micha: Alles packen wir hier nicht aus was wir machen, wo wir im Einzelnen wie politisch arbeiten. Als Kommunist:innen sind wir überzeugt von der Notwendigkeit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen wie wir sie heute haben – kapitalistische Ausbeutung, private Aneignung der Profite und was daraus resultiert – dass wir damit auf revolutionärem Weg brechen müssen, anders wird sich nichts grundlegend ändern. Damit meinen wir diesen Staat, die bürgerliche Macht zu brechen.

Sarah: Dass die Auseinandersetzung mit dem Staat der diese Verhältnisse aufrecht hält, der Kampf gegen ihre kapitalistische Ordnung, dass dies eben nicht in abstrakten Sphären stattfindet sondern im Konkreten, ist der herrschenden Klassen – den Bossen, Profiteuren, Besitzenden, Reichen, ihren Verwaltern, dem Staatsapparat und ihren Sicherheitsorganen, wie Polizei und Geheimdienst vollkommen klar. Grundlegend – es geht um den Aufbau von Gegenmacht, der Macht von unten, der Arbeiter:innenklasse – die revolutionäre Seite auf zu bauen.

Gewerkschaftliche Organisierung, die Auseinandersetzungen im Betrieb und die Solidarität mit den Kolleg:innen, der antifaschistische Kampf gegen das Erstarken der Rechten und ganz direkten Widerstand gegen gewaltbereite Faschisten, der Frauenkampf, die Mobilisierung zum 8. März für Gleichberechtigung und gegen patriarchale Gewalt und Unterdrückung, wir tragen den Aufbau eigener Räume des Widerstandes mit, Bedeutung hat auch die Entwicklung von Gegenkultur, marxistische Bildung usw. Zu all dem haben wir ein aktives Verhältnis.

Die Zeiten sind nicht gut, und besser werden sie wohl eher nicht, keine Frage. Nur, habt ihr Antworten, wenn Stellen gestrichen werden, Kolleg:innen entlassen werden, Kurzarbeit Dauerzustand ist und der „Laden“ vielleicht dicht gemacht werden soll. Was sollen wir dagegen machen? Die Krise bei Mahle, Conti etc. ist doch jetzt?

Sarah: Ja klar müssen wir auch im Kleinen, im Alltäglichen kämpfen, wir müssen uns der Begrenztheit jedoch bewusst sein. Die Probleme die wir sehen, die Unsicherheit, Jobvernichtung, Schweinereien des Managements und der Führungsetage, dagegen ist es wichtig Widerstand zu leisten. Der Umbruch in der Automobilindustrie hat sich lange angekündigt. Auf der Jagd nach dem maximalen Profit haben gerade die deutschen Konzerne an einer Technik festgehalten die durch Neue verdrängt wird. Dazu kommt einfach auch – die Krise in der wir stecken, liegt im Wesen des Kapitalismus.

Nicht nach dem Bedarf der Gesellschaft, der Menschen sondern in Erwartung von Profit wird produziert. Das Problem sind nicht zu hohe Kosten, zu viele Feier- und Krankheitstage und was uns da von den Kapitalist:innen der Industrie erzählt wird – sondern eine Überproduktionskrise, wie sie der Kapitalismus immer wieder mit sich bringt. Zu verhindern, dass die Folgen jetzt auf die Arbeiter:innen geschoben werden die den ganzen Reichtum der Bosse und Konzerne mit ihrer Arbeit geschaffen haben dazu braucht es Solidarität, Organisierung, Widerstand. Gewerkschaftliche Organisierung, das Zusammenstehen als Arbeiter:innen, Streik und Auseinandersetzung sind notwendig – das ist unsere Antwort die wir als Kommunist:innen geben können. Keine Heilversprechen sondern – was tun.

Auch bei uns in der Stadt und im Umland wählen gerade viele Arbeiter:innen Rechtsaußen, siehe die Wahlergebnisse in Villingen-Schwenningen im Steppach, Schilterhäusle usw. Sind das alles Rassist:innen und Nazis. Wie seht ihr das? Und gleich noch: Wie wollt ihr praktisch dagegen angehen?

Sarah: Alles Nazis? Nein mit Sicherheit nicht. Die AfD ist mehr oder weniger die einzige Partei, der es gelingt sich als Opposition zur Regierungspolitik zu geben. Neben dem aufgesetzten Anti-Kriegskurs der AfD ist es, dass sie eine scheinbare Antwort auf die soziale Frage bieten – Schuld sind immer die Anderen und „Ausländer“. Anstatt dafür zu kämpfen, dass die Arbeiter:innen, sprichwörtlich nicht nur die Krümel vom Kuchen bekommen, wollen die Rechten einfach diejenigen verringern, die sie sich teilen und darum streiten was vom Tisch der Reichen abfällt.

Micha: Klar müssen wir machen: Die AfD steht für Aufrüstung und auch Krieg! Die AfD vertritt die Interessen der Reichen! Nicht Geflüchtete sondern der Kapitalismus ist die Ursache der Krise!

Ihr macht hier ja schon einige Jahre organisierte linke/revolutionäre Politik gegen Rechtsaußen, Pegida, Afd… und gegen offene Nazis. Was braucht es aus eurer Sicht, um den Rechtsruck Einhalt zu gebieten?

Micha: Klassenkämpferische Politik, eine klare Linie gegen Krieg und Aufrüstung und die Regierungs-politik und den Staat. Und überall wo Nazis versuchen Fuß zu fassen, konsequente Gegenwehr. Die Straße ist der zentrale Ort der Auseinandersetzung, auch im Kampf gegen Rechts.

Sarah: Und immer wichtiger in der Zeit in der sich gewaltbereite Faschisten neu formieren, ist organi- sierte antifaschistische Arbeit. Hier in der Region bietet das OATVS einmal im Monat ein offenes Treffen an, um aktiv zu werden.

Ihr redet von revolutionärer Politik. Aber ehrlich, viele Kolleg:innen wollen doch in ihrem normalen Leben nichts mit Politik am Hut haben und sagen, ändern können wir doch nichts. Weshalb organisierst ihr da die Demo und Zeitungen zum 1.Mai?

Sarah: Etwas verändern für uns als Klasse, ja das müssen wir schon als Klasse selbst machen – die Lohnabhängigen, Arbeiter:innen werden eine Macht wenn sie zusammenstehen und ihre Interessen formulieren – aber wir versuchen Orientierung zu geben und eine Perspektive begreifbar zu machen.

Noch eine Gegenfrage: was bedeutet denn „normales Leben“? Dass die Umstände zunehmend schwieriger werden, die Zukunft unsicherer, dass die Gefahr eines großen Kriegs mitten in Europa im Raum steht und Kurzarbeit und immer weiter steigende Preise – ist das nicht politisch?

Es waren ja erst Wahlen, wen habt ihr eigentlich gewählt? Oder was erhofft ihr euch davon?

Sarah: Manche von uns waren wählen, andere nicht. Manche wollten damit gegen die AfD stimmen, andere von uns wollten sich nicht auf die Wahl des kleineren Übels einlassen.

Micha: Ja, ich zum Beispiel. Wählen ja/nein, ist nicht die zentrale Frage derzeit. Wichtig ist klar zu sehen, dass der parlamentarische Rahmen, Bundestag und so nicht der Ort ist um die Verhältnisse wirklich zu ändern – den Sozialismus können wir nicht herbei wählen – es gibt ihn nur gegen diesen Staat und auch gegen seine Parlamente.

In der bürgerlichen Presse, den Medien und den Vertretern der Parteien wird geredet, dass wir uns auf Krieg gegen Deutschland vorbereiten müssen, Krieg unausweichlich ist. Stichwort „Kanonen statt Butter“. Was macht ihr gegen die Wehrpflicht, wenn die jetzt kommt, und gegen die Aufrüstung?

Micha: Widerstand organisieren. Lokal zum Beispiel bei den Aktionen gegen den Bundeswehr Rekrutierungsstand auf der Jobmesse „Jobs for Future“ aber auch bundesweit mit Protesten und Vernetzung wie mit dem Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“.

Sarah: Mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht, wenn sie dann da ist, ergeben sich neue Möglichkeiten des Widerstands. Das Thema Krieg wird einfach immer direkter für viele Leute hier und gerade die Jugend wird kaum darum herum kommen sich damit zu beschäftigen.

Die Gleichberechtigung und der Kampf der Frauen dafür spielt für euch eine größere Bedeutung. In Deutschland gibt es doch Gleichberechtigung. Wieso redet ihr dann von Frauenunterdrückung und vom Patriarchat?

Sarah: Banal gesagt, weil wir den Zusammenhang zwischen patriarchalem Alltag und Klassengesellschaft offen herstellen. Genauer, weil wir überall am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, aber nicht gleichberechtigt sind, wir weiter doppelt ausgebeutet werden. Genauer, weil wir uns die bürgerliche, natürlich heterosexuelle, Familie nicht als unser vorbestimmtes Lebensideal verkaufen lassen, weil wir keine Kinder für die Kriege der Herrschenden in diese Welt setzen wollen, weil wir selbst über unseren Körper, über unser ganzes Leben bestimmen wollen.

Das Leben von Frauen ist ja weit davon entfernt das schöne Leben zu sein, weil wir mit Sexismus, patriarchalem Gehabe, geringem Einkommen, unsicheren Jobs und steigenden Preisen, unbezahlter Hausarbeit zuhause und Gewalt zu kämpfen haben.

Medien, Filme, Rollenbilder sagen uns überspitzt: jede/jeder ist seines Glückes Schmied. Was macht dieser bürgerliche Individualismus mit euch selbst und setzt ihr eine andere Kultur entgegen?

Micha: Was uns beigebracht wird von früh auf, in Schule, Ausbildung, usw. ist doch die Konkurrenz und nach oben schleimen und nach unten treten und uns selber unterzuordnen.

Es sind schon andere Werte und auch ein anderes Verständnis von Gesetz und Moral das wir haben. Da ist Solidarität untereinander etwa auf Arbeit mit der Kollegin gegen den Chef und Betriebsleitung.

Da ist, dass ihr Gesetz, also das Herrschende, nicht unser ist. Es sichert den Besitz der Reichen, wir können schauen wo wir bleiben. Unsere Kultur, also wie wir leben und handeln, uns ausdrücken und verhalten – das ist doch im Widerspruch zu dem was uns da vorgesetzt wird. Eine bewusste antagonistische Haltung – sie oder wir. Es gibt nur eine Richtige Seite im Klassenkampf und die ist auf der Seite der Unterdrückten – der Arbeiter:innen!