Zu den derzeitigen Corona-Protesten haben die Genoss:innen von Roter Aufbau Hamburg ein Statement veröffentlicht welches wir hier teilen.
Einige Linke beteiligen sich aktuell an den Corona-Protesten von Querdenken und anderen Strukturen. Dies weckte den Wunsch, sich erneut mit dieser Bewegung zu beschäftigen und abzuwägen, welche Position Kommunist:innen zu ihr einnehmen sollten.
Die Demonstrationen aus diesem Spektrum entwickeln sich zunehmend zu gewalttätigen Protesten, woraus schnell der Eindruck entstehen mag, dass dort ein gewisser Antagonismus zu Tage tritt und somit Anknüpfungspunkte für die radikale Linke bestehen könnten.
Andere argumentieren, dass nun das „Volk“ auf der Straße wäre und wir dort deshalb ebenso eine Rolle spielen sollten, wenn wir eine gesellschaftliche Relevanz erreichen wollten.
Es geht nicht darum, alle Querdenker als Nazis zu betiteln. In manchen Städten geben sich die Nazis zwar offen erkenntlich und laufen zum Beispiel in eigenen Blöcken mit. In anderen Städten wiederum nehmen sie nur als Einzelpersonen daran teil. Auch wenn sie in den allermeisten Fällen zahlenmäßig keinen bedeutenden Anteil stellen, so ist es für die Nazis schon ein Erfolg, dass ihnen ihre Teilnahme gestattet wird. Zwar spielen sie bundesweit quantitativ keine bedeutende Rolle, aber sie dienen der Bewegung als gewalttätige Speerspitze und sind auch Stichwortgeber.
Querdenken ist inhaltlich kein homogener Block, sondern speist sich aus verschiedenen Themen zusammen. Die größte inhaltliche Überschneidung wird es wohl in der Ablehnung der Impf- und Maskenpflicht geben. Dabei sind diese beiden Maßnahmen aber gerade die einzigen Mittel, um in einem absehbaren Zeitfenster aus der Pandemie herauszugelangen. Regelmäßiges Testen kann zwar die Infektionsketten aufzeigen, aber ohne eine Immunisierung der Bevölkerung, werden diese Infektionsketten auch kein Ende nehmen.
Querdenken tritt somit für die Freiheit des Individuums ein, auch wenn diese auf Kosten der Gemeinschaft geht. Das Festhalten an individueller Freiheit entspricht in dieser Lage nicht dem objektiven Interesse unserer Klasse. Dieses Verständnis von einer absoluten Freiheit widerspricht dem linken Gedanken der Solidarität. Wir haben das Interesse, nicht für das Kapital geopfert zu werden und an Corona zu sterben. Aus der Pandemie wird man aber nur durch einen anständigen harten Lockdown und Impfungen kommen.
Die Querdenken-Bewegung ist vor allem daher individualistisch und bürgerlich, weil sie dafür eintritt, die Normalität trotz möglichen Toten einzuläuten. In den meisten Städten ist deswegen auch zu beobachten, dass die Teilnehmer:innen aus dem Kleinbürgertum kommen. Die AFD ist auch nicht zufällig die parlamentarische Stimme dieser Bewegung, sondern betreibt Klientelpolitik. Sie ist es eben, die die nationalistischen Teile der Liberalen, Konservativen und die völkische Bewegung vertritt.
Unsere Klasse ist bei diesen Protesten kaum vertreten. Klar sind dort Teile aus dem Lumpenproletariat aktiv, aber ernstzunehmende Segmente beteiligen sich nicht, da die soziale Frage mit der Pandemie nicht verknüpft wird. Als Kommunist:innen laufen wir nicht jeder „Massen“bewegung hinterher; es geht nicht darum „die“ Leute zu gewinnen. Wir müssen unsere Klasse gewinnen, weil nur sie im Klassenkampf den antagonistischen Widerspruch in dieser Gesellschaft erkennt. Er verläuft eben nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften, nicht zwischen Covidioten und Systemlingen. Jegliche Organisierung jenseits des Klassenkampfes ist verdammt dazu, zwischen Wirkungslosigkeit und Verbalradikalismus zu pendeln, wenn nicht sogar zu versinken.
Auch wenn impfunwillige Pflegekräfte seit einigen Wochen dazu stoßen, wird dies wohl in einigen Wochen wieder stark abebben, weil sie dann die Impfpflicht trifft. Klar ist es zu verurteilen, dass die Menschen in der Pflege nun zum Teil in der Öffentlichkeit als Sündenböcke stigmatisiert werden, als ob nur sie die Pandemie weitertragen würden. Immerhin sind sie diejenigen Kräfte, die durch die Pandemie am direktesten betroffen sind und nach wie vor am härtesten gegen sie kämpfen. In erster Linie ist der verbreitete Impfunwille ein Resultat der wirklich schäbigen Impfkampagne der Bundesregierung.
Von einigen wird eine Parallele zu den Gelbwesten gezogen. In Frankreich haben Antifas bei den Gelbwestenprotesten interveniert und die Nazis in verschiedenen Städten vertrieben, doch muss man diese beiden Bewegungen voneinander unterschieden. Während die Gelbwesten in erster Linie eine soziale Bewegung waren, die sich gegen die Preiserhöhungen vor allem von Benzinpreisen richteten, sind die Coronaproteste hierzulande im weitesten Sinne für bürgerliche Freiheiten. Dennoch ist es auch da wichtig, gezielt rechte Kräfte direkt anzugehen, dies wurde in verschiedenen Städten auch gemacht.
Die Querdenkenbewegung hat so viele verschiedene Teile, die sonst nicht zusammengekommen wären: Esoterische Hippies haben eigentlich wenige Berührungspunkte mit Nazihools, doch eint sie eine gewisse Staatsskepsis, sie eint die Angst vor der „Corona-Diktatur“. Dieser Klebstoff würde seine Wirkung mit dem Wegfall der Maßnahmen verlieren, doch die Bundesregierung reagiert nicht im Interesse der gesamten Bevölkerung, sondern ist der ideelle Gesamtkapitalist und schielt auf die Profite.
Die Bundesregierung ist in erster Linie schuld an der aktuellen Lage, nicht die Impfunwilligen.
Sie hat die Leute in die Arme der Scharlatane getrieben. Die Maskendeals der CDU-Parlamentarier sind keine Verschwörungstheorie. Auch das ständige Hin- und Her der Maßnahmen haben viele Menschen verunsichert. Insgesamt war das Krisenmanagement der Regierung davon geprägt, die Kapitalseite zu schonen und die Pandemie in die Privatsphäre zu verschieben. Wir hatten größtenteils immer wieder Freizeitlockdowns, welche in den nächtlichen Ausgangssperren gipfelten. Niemand kann vermitteln, warum wir in vollen Bussen zur Arbeit fahren sollten, uns aber nicht auf ein Feierabendgetränk treffen dürfen. Im Großraumbüro sitzen, aber mit Freund:innen nichts essen gehen. Die Gedenk-Demo zum Jahrestag des Hanau-Anschlags wurde verboten, während in Leipzig tausende Querdenker laufen durften. Die 1.Mai Demos wurden verboten, aber Shoppen war erlaubt. Während Corona-Leugner sich regelmäßig trafen und von der Polizei hofiert wurden, hat man die müde Jugend in Parks schikaniert und mit voller Härte verfolgt, Verfolgungsjagd mit Streifenwagen über die Grünflächen inklusive. Bei jeder neuen Welle hatte man das Gefühl, die Geschicke dieses Landes werden von Idioten geleitet, die sich kaum vorbereitet hatten – obwohl sie spätestens nach einem Jahr Pandemie-Erfahrung ausreichend Zeit gehabt hätten.
Doch wieder sind Masken und Tests Mangelware.
Erst öffneten sie die Impf- und Testzentren, dann schließen sie diese und nun sind erneut zu wenig da. Die Bundesregierung hat immer noch kein flächendeckendes System von PCR-Test-Möglichkeiten aufgebaut und daher ist Deutschland auch ein Schlusslicht auf diesem Gebiet, wobei man anmerken muss, dass nur diese Tests wirklich aussagekräftig sind. In anderen Ländern sind diese zum Teil kostenlos, hier soll man bis zu 80 € zahlen, dafür hat man kein Geld, auch wenn die Corona-Warnapp mehrmals hohes Risiko aufzeigt. In Wahlkampfzeiten versprachen sie alle, dass es mit ihnen keine Impfpflicht geben würde, kaum steht die neue Regierung, wird dieses überstürzte Versprechen zurückgenommen. Allen Menschen wurde die Planlosigkeit der Bundesregierung trotz der Ratschläge vieler kompetenter Wissenschaftler deutlich. Die Politik hört nicht und die Menschen müssen darunter leiden. Auch den Skandal, dass sie dem deutschen Großkapital Krisensubventionen in Milliarden Höhe zahlten, obwohl diese im gleichen Atemzug Dividenden an ihre Aktionäre und Bonuszahlungen ans Management auszahlte, sitzen die Politiker einfach aus. Wir jedoch verloren unsere Jobs in der Gastro oder anderen Prekärbeschäftigungen und mussten jegliche Ersparnisse ausgeben. Während die Inflationsrate so hoch ist, dass die jämmerliche Erhöhung des Hartz4-Satzes vielmehr eine reelle Senkung der Hartz4-Bezüge bedeutet, wird Anderen wiederum deutlich, dass sie nur einen Monatslohn von der Obdachlosigkeit entfernt sind. Viele funktionieren weiter, doch die psychischen Folgen sind schon jetzt gravierend – sowohl bei uns (jungen) Erwachsenen als auch deutlich bei Jugendlichen und Kindern. Die Diskussion um die Verstaatlichung von Biontec wurde schnell begraben, denn immerhin hatten sie massiv staatliche Subventionen für ihre Forschung bekommen, doch die Gewinne wollen sie behalten. Dieser Staat trat sogar international dafür ein, dass die Impfpatente nicht freigegeben werden sollen. Kann man seinen Unwillen eigentlich deutlicher zum Ausdruck bringen, dass man die Pandemie nicht ernsthaft bekämpfen will? Hier zeigt sich, dass der Kapitalismus als System die Probleme unserer Zeit nicht lösen kann. Wir brauchen eine Gesellschaft, die solche Entscheidungen demokratisch fällt, im Interesse aller und nicht für die wenigen Kapitalisten.
Die Aufgabe einer revolutionären Linken ist, den Finger in die Wunde zu legen und genau diese Widersprüche zu verdeutlichen. Wir müssen eine Bewegung aufbauen, die nicht aus dem Bauch heraus agiert, sondern langfristig und kontinuierlich daran arbeitet ihre Gegenmacht aufzubauen. Dabei müssen wir uns im Widerspruch zu diesem Staat positionieren, weil er der Staat der Reichen, der wenigen Kapitalisten ist. Dies heißt aber nicht, dass wir mit verwirrten und rechten Kräften laufen, denn der Feind meines Feindes ist nicht zu gleich mein Freund. Dieser Staat erfüllt auch gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Wenn der Staat das Impfen organisiert, so ist das Impfen nicht per se abzulehnen. Weltweit zeigt sich, dass Impfen und einschränken von Kontakten, die einzigen Möglichkeiten sind, die Pandemie zu bekämpfen.
Unsere Bewegung ist zu schwach, um die Kritik gegen das Krisenmanagement der Bundesregierung zu formieren. Es gab vereinzelt Versuche, die aber keine großen Auswirkungen hatten, während jegliche Demonstrationen mit einigen hundert Teilnehmer:innen von Querdenken medial Gehör fand. Es gibt leider keine Abkürzung zu einer gesellschaftlichen Relevanz, als uns Stück für Stück im Klassenkampf aufzubauen. Das simulieren von großem Protest hat die radikale Linke deorganisiert. Einigen Akteuren ist eine Schlagzeile in den bürgerlichen Medien wichtiger als die langfristige Organisierung. Zusätzlich hat in den letzten Jahren eine gewisse Verbürgerlichung in der radikalen Linken stattgefunden, weite Teile glauben nicht mehr an die revolutionäre Umgestaltung der Verhältnisse. Jobs in Stiftungen oder bei Parlamentariern scheinen attraktiver zu sein, man findet sich in dem System ein, welches man eigentlich bekämpfen will. Klar sind wir alle irgendwo in diesem System integriert, aber dies heißt nicht, dass man sich ideologisch damit abfindet, sondern konkret eine antagonistische Gegenmacht aufbaut. Besonders absurd wird es, wenn vermeintlich linksradikale Kräfte mit Teilen des Herrschaftsapparats gegen Querdenken demonstrieren, als ob die herrschenden Ideologien, wie der Glaube an den Markt, plausibler wären als wirre Verschwörungstheorien.
Laufen wir nicht „den Massen“ hinterher, sondern organisieren wir uns besser. Werden wir professioneller und dann können wir Bewegungen schaffen, die inhaltlich und strukturell richtig aufgestellt sind. Eine Bewegung, die sich nicht über die Ängste und Verwirrungen von Teilen der Bevölkerung lustig macht, sondern der es gelingt, Politik als Kampf gegen die Herrschenden zu begreifen, aber auch zugleich den Antifaschismus nicht entsorgt, um mit bürgerlichen Kräften für individuelle Freiheiten gegen Masken- und Impfpflicht zu demonstrieren. Schaffen wir eine Bewegung, die sich nicht als Bittsteller an die Herrschenden richtet, die mit den Sparmaßnahmen, Fallpauschalen und den Privatisierungen im Gesundheitssektor versuchen unsere Gesundheit zur Ware zu machen. Weder hat Querdenken den Durchblick, noch wird dieser Staat uns aus dieser Misere befreien. Es bleibt dabei, wir müssen es selber machen!
Klassenkampf statt Querdenken!
Nazis und den Staat angreifen!
Für eine revolutionäre Perspektive – Gegenmacht aufbauen!