Nachbereitung zum 1. Mai 2015 in Villingen-Schwenningen

1.Mai 2015Am diesjährigen 1. Mai herrschte in Schwenningen ein Wetter, bei dem man der schwäbischen Mundart nach nicht einmal einen Hund auf die Straße jagen würde. Trotzdem fanden sich um 10 Uhr morgens mehr als 80 Menschen verschiedenen Alters aus verschiedenen politischen Spektren der migrantischen und deutschen Linken ein, um den Kampf- und Feiertag der ArbeiterInnenbewegung mit einer Demonstration zu begehen. Zu der Demonstration hatte die „Initiative für einen kämpferischen 1. Mai VS“ aufgerufen.

Mit lauten Parolen machte sich die Demonstration auf den Weg. Sie zog einmal um die Innenstadt herum bis in die Fußgängerzone, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Die Polizei war die gesamte Zeit mit mehren Wägen präsent, hielt sich jedoch sehr zurück und beschränkte sich darauf, die Demonstration in den Autos sitzend zu begleiten.

Am Eingang zur Fussgängerzone gab es aus der Spitze der Demonstration eine kleine Feuerwerkseinlage welche die Stimmung noch einmal hob.

Nach dem Ende der Abschlusskundgebung liefen die TeilnehmerInnen gemeinsam weiter zum 1.-Mai-Fest des DGB. Dort war die „Initiative für einen kämpferischen 1. Mai VS“ mit einem eigenen großen Stand vertreten um sich auf dem Fest des DGB zu präsentieren und für Interessierte ansprechbar zu sein.

Der DGB hatte sich in diesem Jahr dazu entschieden keine eigene Demonstration am 1. Mai mehr zu veranstalten und rief auch nicht zur Teilnahme an der stattfinden Demonstration auf, welche unter dem Motto „Für eine solidarische Gesellschaft, für eine sichere Zukunft, gegen die Herrschaft des Kapitals“ stand.

Bereits nach dem 1. Mai 2014 war abzusehen, dass der DGB keine Demonstration mehr organisieren und sich, wie in etlichen Jahren davor, auf ein Fest beschränken würde.

Die Gründe dafür waren die zurückhaltende Mobilisierung des DGB und der in der Außenwirkung dominierende internationalistische Block im letzten Jahr.

Wir als Linke Aktion Villingen-Schwenningen begannen darum frühzeitig mit den Vorbereitungen zum 1. Mai 2015. Dabei legten wir unseren Schwerpunkt auf die Organisation der Demonstration und die Arbeit in der Initiative für einen kämpferischen 1. Mai VS.

Es hätte aus unserer Sicht einen politischen Rückschritt bedeutet, nach den in den vergangenen drei Jahren stattgefundenen 1. Mai-Demonstrationen, 2015 darauf zu verzichten und sich auf das Fest des DGB zu beschränken oder aber zu einer revolutionären 1. Mai-Demonstration in eine andere Stadt zu mobiliseren.

Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern beschlossen wir selbst eine Demonstration zu veranstalten.

Dabei entschieden wir uns explizit gegen eine ausschließlich revolutionäre Ausrichtung um für ein breiteres Gewerkschaftslager anschlussfähig zu sein.

Die Veröffentlichungen der Initiative beschränkten sich auf einen kurz gehaltenen antikapitalistischen Aufruf und – aus aktuellem Anlass – einer Stellungnahme zum in der BRD stattfindenden gesellschaftlichen Rechtsruck und der aktuellen rassistischen Mobilisierungen in Villingen-Schwenningen unter dem Namen SBH-GIDA.

Von Beginn an sahen wir die Demonstration der Initiative für einen kämpferischen 1. Mai VS als Ergänzung zu den Aktivitäten des DGB. Eine direkte Konkurrenz zum 1. Mai-Fest des DGB hielten und halten wir in der konkreten Situation für falsch, wichtig ist dagegen das Aufzeigen klassenkämpferischer Positionen und ansprechbar zu sein um eine Diskussion und einen gemeinsame Austausch zu ermöglichen. Dass dieses Vorgehen teilweise erfolgreich war zeigte sich an den Reaktionen einzelner TeilnehmerInnen des DGB-Festes und einer über das Spektrum der revolutionären Linken herausreichenden Beteiligung an der Demonstration.

Um revolutionäre Inhalte in die Mobilisierung zum 1. Mai und die Demonstration am Tag selbst zu tragen, gaben wir als Linke Aktion Villingen ein Flugblatt heraus das die in den verschiedenen politischen Teilbereichen stattfindenden Aktionen und Kämpfe in Villingen-Schwenningen in einen Zusammenhang stellte. Sie spannte den Bogen zu gesamtgesellschaftlicher kommunistischer Praxis und Organisierung. Als Einlegeseite zur 1. Mai-Zeitung der Perspektive Kommunismus ergänzte es diese um den lokalen Bezug. In unserer Rede auf der Demonstration folgten wir den Themen unserer Veröffentlichung, setzten den Schwerpunkt aber auf die Notwendigkeit, Herausforderungen und Aufgaben revolutionärer Organisierung.

Wir sehen unsere Arbeit zum diesjährigen 1. Mai als Erfolg. Trotz der regelmäßig stattfindenden rassistischen SBH-GIDA-Aufmärsche in Villingen-Schwenningen und jedesmal stattfinder vielfältiger Gegenproteste, gelang es den 1. Mai in den Mittelpunkt zu rücken.

Die Demonstration zum 1. Mai war nach der Demonstration zum Frauenkampftag in diesem Jahr bereits die zweite ausschließlich lokale Mobilisierung und zeigt, dass sich die linke Bewegung der Doppelstadt auf dem Weg befindet eine ernstzunehmende politischen Kraft zu werden.

Mit den vielfälltigen Aktionen im Vorfeld des 1. Mai, den vielen Verteilaktionen unter anderem vor Großbetrieben, der Menge an verklebten Plakaten, mehreren Transpiaktionen und dem Verteilen von Infomaterial gelang es die Wahrnehmbarkeit der Mobilisierung im Vergleich zum Vorjahr erheblich zu steigern. Auch unsere Zielsetzung, mit der Arbeit zum 1. Mai in breitere gewerkschaftliche und gesellschaftliche Kreise zu wirken haben wir zumindest in Ansätzen erreicht.

Unsere Rede auf der 1. Mai Demonstration:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Genossinnen und Genossen,

Geschenkt gibt es nichts. Deshalb sind wir heute gemeinsam am 1.Mai auf der Straße um für unsere Rechte und Interessen als Angehörige der Arbeiterinnenklasse zu kämpfen.
Denn eins steht fest: die Situation der lohnabhängigen Menschen in Deutschland verschlechtert sich seit Jahrzehnten unaufhörlich. Löhne stagnieren oder sinken, das Sozialsystem wird zusehends zerschlagen und alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens der kapitalistischen Verwertung untergeordnet. Egal ob in Schule, Betrieb oder Uni, das einzige das zählt, ist Menschen möglichst schnell in die kapitalistische Produktion einzugliedern und wieder auszusortieren, sobald sie nicht mehr genug Profit abwerfen.

Wer erst einmal auf das gesellschaftliche Abstellgleis geraten ist muss sich noch wärmer anziehen. Denn wer nicht nach der Pfeiffe der Behörden tanzt und sich nicht widerstandslos in das Ersatzheer der Arbeitslosen eingliedert, bekommt die Stütze gestrichen. Leiharbeit und Niedriglohn werden so für viele alternativlos. Die faktische Abschaffung der Persönlichkeitsrechte von Arbeitslosen durch Bespitzelung, Urlaubsverbot und Arbeitszwang ist dabei nur einer der krassesten Auswüchse der Angriffe auf die Rechte unserer gesamten Klasse:
Die Speicherung von Verbindungsdaten, die Erstellung von Bewegungsprotokollen durch Funkzellenabfragen, die zunehmende Videoüberwachung des öffentlichen Raums und die Bespitzelung des digitalen Datenverkehrs sind Angriffe auf unsere Grundrechte und Teil einer präventiven Repressionsstrategie. Denn gleichzeitig werden Reservistenverbände reaktiviert, die Polizei immer weiter aufgerüstet und Einsätze der Bundeswehr im Inneren legalisiert. Zu deren Trainingsrepertoire gehört mittlerweile auch explizit die Bekämpfung von Aufständen. Denn den Herrschenden ist durchaus bewusst, dass die Zuspitzung der sozialen Gegensätze früher oder später zu Unmut, Widerstand und Aufständen auch in Deutschland führen wird.

Auch außenpolitisch besinnt sich das deutsche Kapital wieder auf alte Stärken. Mit Erfolg. Im Sinne geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen überziehen die BRD und ihre Verbündeten ganze Länder und Regionen mit Chaos, Bürgerkrieg und Verwüstung. Donbass, Syrien, Lybien, Jemen – die Liste ist lang und wächst immer weiter. Über 100 Jahre nach dem Beginn des 1. Weltkriegs ist Krieg wieder zum Mittel des deutschen Kapitals geworden.

Als der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF vor wenigen Wochen sein 100 jähriges Jubiläum feierte, gab sich reihenweise politische Prominenz die Ehre. Die Stimmung war euphorisch, nicht ohne Grund.Schon am ersten und zweiten Weltkrieg verdiente der Konzern prächtig. Gemeinsam mit den anderen größten Konzernen etwa Daimler oder die Deutsche Bank verfügt die BASF, auch heute noch über enorme Macht und großen Einfluss.Dementsprechend schaut sie in eine rosige Zukunft.

Doch wie es ist bleibt es nicht! Immer mehr Menschen wird bewusst, dass die kapitalistische Barbarei weder ein hinnehmbarer Zustand noch unumstößlich ist. Aktuell befindet sich die deutsche Arbeiterinnenbewegung dabei meistens in der Defensive und kämpft hauptsächlich darum ihre Rechte zu verteidigen. Doch ein viertel Jahrhundert nach der Zerschlagung des Realsozialismus wird klar: Die Wende kommt erst noch!
In der Sowjetunion und der DDR gab es viele Entwicklungen, die wir als Linke und KommunistInnen kritisieren müssen. Dennoch ist klar, dass der Wegfall einer greifbaren Alternative zur kapitalistischen Ausbeutung der internationalen Linken einen harten Schlag versetzt hat. Insbesondere die deutsche revolutionäre Bewegung konnte sich davon bis heute kaum erholen.
Doch täglich finden in Deutschland gesellschaftliche Auseinandersetzungen statt, in denen die deutsche Linke immer wieder immer wieder Erfolge erringt. Die Proteste gegen Naziaufmärsche, Blockaden von Wohnungsräumungen und die Verhinderung von Abschiebungen bringen immer wieder Unruhe in den Sand auf dem die kapitalistische Ordnung gebaut ist. Kämpferische Streiks, Bildungsproteste oder Solidaritätsbewegungen wie die für Kôbane sind wichtige Teile des Widerstands. Deutlich wurde die Ablehnung der herrschenden Politik auch bei den massenhaften und militanten Protesten gegen die Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank Mitte März in Frankfurt.

All diese Kämpfe zusammenzuführen, zu organisieren und zu bündeln, das ist die Aufgabe revolutionärer Organisierung. Ohne eine solche Organisierung werden wir den Kapitalismus niemals überwinden.

Als Linke Aktion sind wir in Villingen-Schwenningen seit 2009 politisch aktiv. Und seit damals hat sich vieles getan. In der Doppelstadt entwickelt sich eine aktive linke Bewegung, die ihre Aktionsfähigleit immer wieder unter Beweis stellt. Letzten Oktober gingen 150 Menschen aus Solidarität mit Kobanê auf die Straße, am 8. März diesen Jahres gab es eine Demonstration zum internationalen Frauenkampftag, die rassistischen Hetzer von Pegida wurden bis jetzt bei jedem ihrer Auftritte mit den verschiedensten Protestformen konfrontiert und heute findet zum vierten Mal in Folge eine Demonstration zum 1. Mai statt, nachdem es eine solche lange Zeit in Villingen-Schwenningen nicht mehr gab.
Seit einem Jahr bietet das Linke Zentrum Mathilde Müller dank der Initiative einiger Aktivistinnen einen offenen Anlaufpunkt für interessierte Menschen und stellt wichtige Infrastruktur für die politische Arbeit in der Doppelstadt zur Verfügung.

Wir sind überzeugt, der Aufbau revolutionärer Strukturen muss sich anhand einer lokalen Praxis entwickeln.Wir stellen diese Entwicklung weiteren organisatorischen Schritten voran.

Um einen Beitrag zum Aufbau einer bundesweiten kommunistischen Organisation zu leisten hat sich vor etwa einem Jahr die Plattform „Perspektive Kommunismus“ gegründet. Hier arbeiten wir mit anderen kommunistischen Strukturen aus Berlin, Hamburg, München, Stuttgart und Mannheim zusammen.

Gemeinsam versuchen wir unsere Strukturen an unserer Praxis weiterzuentwickeln und organisatorisch zusammenzuwachsen.

Denn Organisation ist die mächtigste Waffe der Arbeiterklasse und die einzige die es uns ermöglichen wird den Kapitalismus zu überwinden und eine neue solidarische Gesellschaft zu errichten.

Die Zeit ist mehr als reif. Eine Gesellschaftsordnung, die dafür verantwortlich ist, dass täglich Menschen im Mittelmeer ertrinken weil sie zur Flucht gezwungen sind, dass Länder in den Bürgerkrieg gestürzt werden und Mensch und Umwelt bis aufs Letzte ausgebeutet werden – eine solche Gesellschaftsordnung kann nicht das Ende der Geschichte sein.
Streiten wir für eine Gesellschaft deren Wirtschaft von den Bedürfnissen der Menschen gelenkt wird anstatt von der Anarchie des freien Marktes, in der Staatsangehörigkeit und Herkunft nicht mehr über Leben und Tod entscheiden und in der wir endlich über alle Bereiche unseres Lebens selbst entscheiden.

Es ist Zeit: Unsere Seite aufbauen!
Für eine revolutionäre Perspektive!
Für den Kommunismus!